Unsere Stretching-Routine: Warum und wie wir stretchen » beVegt (2024)

Im letzten Beitrag hast du erfahren, wie es dazu gekommen ist, dass wir uns seit einigen Monaten jeden Tag 15 Minuten lang stretchen – und welche Fortschritte wir seitdem bei unserer Beweglichkeit erreichen konnten.

Heute möchten wir dir unsere Stretching-Routine etwas genauer vorstellen und dir erklären, wie sie sich von anderen Formen des Stretchings unterscheidet, die du vielleicht schon kennst oder selbst einsetzt (zum Beispiel kürzere Stretches nach dem Laufen oder Yoga).

Wir starten aber mit zwei ganz grundlegenden Fragen, nämlich: Wie viel Beweglichkeit ist eigentlich genug? Und welche Vorteile hat es, wenn wir unsere Beweglichkeit verbessern?

Wie beweglich müssen wir sein?

Bevor wir Beweglichkeitsübungen in unser Trainingsprogramm aufnehmen, sollten wir erstmal definieren, was wir damit überhaupt erreichen wollen. Für die meisten Menschen (Katrin und mich eingeschlossen) geht es nicht darum, als Akrobaten im Zirkus auftreten zu können. Beweglichkeit ist für uns kein sportliches Ziel, sondern ein Mittel zum Zweck.

Das heißt, dass wir mit dem Stretching wieder unsere normale Beweglichkeit herstellen wollen, die uns durch unseren Lebensstil im Laufe der Zeit verloren gegangen ist. Wir verbringen einen großen Teil unseres Arbeitstages am Schreibtisch und im Sitzen, machen keine „großen“ Bewegungen mehr (so wie früher am Klettergerüst auf dem Spielplatz) … und auch das Laufen hat den Ruf, der Beweglichkeit eher abträglich zu sein.

All das hat in einem schleichenden Prozess dazu geführt, dass die meisten Menschen heute viele Dinge nicht mehr können, die früher ganz selbstverständlich für sie waren – zum Beispiel in der tiefen Hocke zu sitzen, in der Vorbeuge mit den Fingerspitzen den Boden zu berühren oder die Hände hinter dem Rücken zu verschränken.

Unser Ziel beim Stretchen ist es, diese natürlichen Bewegungen wieder ausführen zu können. Sobald wir das erreicht haben, können wir in den „Erhaltungsmodus“ wechseln, denn auch ein Zuviel an Beweglichkeit ist nicht optimal. Wir möchten genau das richtige Maß an Beweglichkeit, das uns im Alltag und im Sport nutzt – nicht mehr und nicht weniger.

Was sind die Vorteile von „normaler“ Beweglichkeit?

Jetzt schauen wir uns noch die zweite Frage an, die ich oben in den Raum gestellt habe: Warum ist es überhaupt sinnvoll, unsere „normale“ Beweglichkeit wiederzuerlangen?

Klar ist es ein tolles Gefühl, nach Jahren zum ersten Mal wieder mit den Fingerspitzen an den Boden zu kommen (kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen) … aber bringt es uns davon abgesehen sonst noch irgendwelche Vorteile? Schließlich kostet Stretching ja auch Zeit, und die ist bekanntlich begrenzt.

Ich würde jetzt gerne ganz viele Studien über die vielfältigen Vorteile des Stretchings zitieren, aber die Wahrheit ist, dass die Studienlage ziemlich unklar und unübersichtlich ist. Je nach Studienaufbau und Zielstellung zeigen sich manchmal stärkere, manchmal schwächere und manchmal auch gar keine Effekte.

Die meisten Studien untersuchen außerdem nicht die Auswirkungen von besserer oder schlechterer Beweglichkeit, sondern von Stretching als Trainingsmaßnahme – ein kleiner aber feiner Unterschied. Das macht es schwer, Aussagen über die möglichen Vorteile einer guten Beweglichkeit zu treffen.

Trotzdem haben wir natürlich eine persönliche Meinung zu diesem Thema. Wir fühlen uns wohler in unserem Körper, seit wir regelmäßig stretchen, und spüren, dass uns das Stretching als Ausgleich zur bewegungsarmen Schreibtisch-Zeit gut tut.

Außerdem finden wir es plausibel, dass eine gute Beweglichkeit sich positiv auf den Laufstil und die Laufökonomie auswirkt. Wenn deine Hüftbeweglichkeit eingeschränkt ist, dann wirst du in der Abdruckphase nicht in die optimale Hüftstreckung kommen. Und wenn du deine Schultern nicht frei bewegen kannst, wird deine Armhaltung beim Laufen darunter leiden.

Das Gleiche gilt beim Thema Laufverletzungen. Es mag aktuell keine starken Belege dafür geben, dass regelmäßiges Stretching das Verletzungsrisiko senkt. Aber wenn du aufgrund einer eingeschränkten Beweglichkeit in der Hüfte, im hinteren Oberschenkel oder im Rücken bestimmte Muskeln, Sehnen und Gelenke stärker oder einseitig beanspruchst, kann das sicherlich zu Überlastungsverletzungen beitragen.

Letztendlich gibt es beim Für und Wider (wie so oft) keine eindeutige Antwort. Du solltest deshalb auf jeden Fall mit der entsprechenden Erwartungshaltung an das Stretching gehen und dir keine Wunder davon erhoffen. Wenn du häufiger von Laufverletzungen betroffen bist, unter Muskelschmerzen und Verspannungen leidest oder Luft nach oben bei deinem Laufstil vermutest, dann ist es unserer Meinung (und Erfahrung) nach aber unbedingt einen Versuch wert!

Wie sieht unsere Stretching-Routine konkret aus?

Okay, damit kommen wir zu der Frage, die dich jetzt wahrscheinlich brennend interessiert: Wie sieht unsere eigene Stretching-Routine ganz konkret aus? Sie basiert auf den Prinzipien „Regelmäßigkeit statt Umfang“, „passive Dehnung“, „lange Haltedauer“ und „Entspannung“.

Schauen wir uns die Prinzipien mal der Reihe nach an.

Regelmäßigkeit statt Umfang

Anders als beim Ausdauersport oder Krafttraining, wo es um die optimale Abstimmung zwischen Belastung und Erholung geht, reagiert unsere Beweglichkeit und Flexibilität am besten auf regelmäßiges, möglichst tägliches Training.

Statt ein oder zwei Mal pro Woche eine lange Dehn-Session mit vielen Übungen zu machen, investieren wir deshalb jeden Tag etwas Zeit ins Stretching. Wir wählen jeweils nur 2-3 Stretches aus, die wir dann aber relativ lange halten (siehe nächstes Prinzip). Insgesamt kommen wir damit auf ca. 15-20 Minuten, was wir gut in unseren Tagesablauf integrieren können.

Lange Haltedauer

Wenn du dich nach dem Laufen stretchst, dann bleibst du wahrscheinlich nicht länger als 30-60 Sekunden in der Dehnung. In unserer Stretching-Routine setzen wir hingegen auf deutlich längere Haltezeiten von bis zu 5 Minuten, um einen möglichst starken Anpassungsreiz zu erzielen. Der „Sweet Spot“ liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen 2-5 Minuten. Längeres Dehnen ist möglich, aber der zusätzliche Nutzen nimmt mit der Haltedauer ab.

Passive Dehnung

Wir führen die Stretches in unserer Routine passiv aus, das heißt wir lassen uns nach Möglichkeit von der Schwerkraft und unserem eigenen Körpergewicht in die Dehnung bringen, ohne aktiv Muskelkraft einzusetzen. Um das zu erreichen, setzen wir bei einigen Stretches auch Hilfsmittel wie Stühle, Yogablöcke oder Gurte ein.

Entspannung

Unsere Muskeln dehnen am besten, wenn sie entspannt sind. Gleichzeitig reagiert der Körper auf Dehnungen mit dem sogenannten myotatischen Reflex, der umgangssprachlich auch als Stretch-Reflex bezeichnet wird. Er bewirkt, dass du instinktiv Muskelspannung aufbaust und dich sozusagen gegen die Dehnung wehrst.

Um diesen Reflex zu überwinden und möglichst tief in die Dehnung zu kommen, nutzen wir zum einen mentale Bilder („Ich bin eine weichgekochte Spaghetti“ ;-)). Außerdem setzen wir eine spezielle Atemtechnik ein, und zwar atmen wir beim Stretchen durch die Nase ein und betont langsam durch den Mund aus. Diese Entspannungs-Atmung signalisiert dem Nervensystem, dass alles im grünen Bereich ist, und hilft uns auf diese Weise dabei, den Stretch-Reflex auszuschalten.

Wann ist die beste Zeit für intensives Stretching?

Eine weitere Frage, die häufig gestellt wird, ist die nach dem idealen Zeitpunkt fürs Stretching.

Grundsätzlich gilt, dass die Tageszeit keine große Rolle spielt und du dann stretchen kannst, wenn es für dich am besten passt. Wichtig ist nur, dass du eher nicht direkt vor dem Laufen, dem Krafttraining oder anderem intensiven Training stretchen solltest, weil lang gehaltene, passive Stretches, wie wir sie einsetzen, den Muskeltonus vorübergehend absenken können, was sich wiederum negativ auf deine Leistungsfähigkeit auswirken würde.

Wir beide machen unsere Stretching-Routine deshalb meistens abends, bevor wir es uns dann auf der Couch gemütlich machen.

In STRETCH lernst du eine wissenschaftlich fundierte Methode kennen, mit der du mit nur 15-20 Minuten pro Tag in 4 Wochen deine Beweglichkeit in der Hüfte, den hinteren Oberschenkeln, im Rücken und in den Schultern verdoppeln kannst!

Zum Weiterlesen: Stretching und Yoga

  • Warum wir JEDEN Tag stretchen (und was sich dadurch verändert hat)
  • Die 9 wichtigsten Stretching-Übungen für Läufer:innen
  • Yoga für Anfänger:innen – 7 Tipps und 10 wichtige Asanas für deine erste Praxis
  • Yoga ohne Studio: 30 tolle Blogs, Videos und Apps zum Selbstlernen
  • beVegt-Podcast #193: Katrins Weg zur Yogalehrerin
  • beVegt-Podcast #244: Yoga Mythen und Fakten – mit Yogalehrerin und Ausbilderin Christiane Wolff
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